6 Bausteine für eine machbare Neue Arbeit im Service
Anforderungs-Landschaft
Viele Serviceleistungen stehen zu festen Öffnungszeiten bereit für ihre Gäste, Kunden, Patienten, Klienten.... Das gehört zu ihrer Basisqualität mit einem persönlichen Verhalten, das nicht auf Vorrat zu haben ist. Dieser immaterielle Servicepart entsteht erst im Zusammenspiel zwischen dem Servicemitarbeiter und seinem Kunden am POS, dem Point of Service.
Das macht Arbeitszeiten wenig flexibel. (Diese Einschränkung gilt auch in arbeitsteiligen Produktionsprozessen, in denen jede Leistung auf den pünktlich davor erledigten Arbeitsschritt angewiesen ist, doch hier konzentrieren wir uns auf den Service).
Wenn also schon Arbeitszeit und –platz wenig frei gestaltbar (und häufig wenig freizeit- und familienfreundlich) sind, wenn Arbeitstempo und –qualität zudem eher weniger beliebte Tugenden verlangen wie Standardtreue, Disziplin, Pünktlichkeit und Präzision, was bleibt dann, um knappe Servicemitarbeiter zu gewinnen und zu binden?
Wir haben aus unserer praktischen Erfahrung in Freizeitunternehmen 6 Aktivitäten aufgelistet,
die gut ankommen (zugegeben: Sie wirken auch wo anders, aber umgekehrt wirken andere nicht im Service!
Deshalb sind die Sechs hier besonders wichtig!).
1. Fair empfundene Führung
Hier hakt es immer noch häufig. Diese Sätze haben wir erst kürzlich von Führungsverantwortlichen gehört - eigentlich kaum zu glauben:
- „Jetzt nimm mal Dein Teamgeist-Getue zurück, Du verdirbst hier die Preise!“
- „Wenn Du im Dienstplan stehst, dann hast Du hier aufzuschlagen, und zwar eine Viertelstunde vorher, klar?"
Nix mehr mit Augenhöhe. Hier werden Menschen als Objekte manipuliert, das nimmt ihnen ihre Würde, ihr Gesicht. Vor allem die jungen Generationen lassen sich das nicht mehr gefallen – sie gehen dahin, wo kununu oder andere Arbeitgeber-Bewertungsportale ein besseres Klima versprechen. Oder sie bleiben und geben die ausgehaltene Druckhaltung Eins zu Eins an Kollegen und Kunden weiter. Führungsziel verfehlt! Wer top Service leisten soll – der muss Menschen mögen (so der Leitspruch von Dr. Roland Mack im Europa-Park)! Auch sich selbst.
Das real erlebte Führungsverhalten prägt Kultur und Haltung, die Mitarbeiter brauchen:
- Fair, transparent, kommunikativ im Dialog.
- Lebendig orientierend rund um Ziele, Aufgaben, Verantwortungen, Abläufe, Ergebnisqualität und Feedback.
- Als Unterstützende Führung gestaltet, siehe Kreiselmanagement.
- Mit fairer Bezahlung (gleicher Lohn für gleiche Arbeit).
- Mit Informationen über den eigenen Erfolg, auch über Zahlen wie Umsatzentwicklung am Standort/ in der Station, beeinflusste Kosten und Qualitätsindex, möglichst zeitnah und einfach visualisiert. Wir erleben: Hier halten sich Firmenleitungen bedeckt, dabei klappt das gut z.B. über relative Zahlen (Umsatz Jahresbeginn = 100%, Umsatz heute = 104,5%...) oder durch Qualitätsrückmeldungen über Ampelfarben....
Das Wissen und Können hierfür bringt nicht jeder frisch beförderte Supervisor mit,
deshalb gehört es zum Einstiegs-Lernstoff in die neue Rolle samt Praxisbegleitung in der Anwendung!
2. Transparenter Sinn der Arbeit
„Wofür komme ich eigentlich täglich hierher?“ Da reicht nicht allein die Antwort: „Für mein Geld!“, denn reduziert auf die finanzielle Motivation führt das im hier üblichen Entgeltniveau zu Frust bzw. zu Dienst nach Vorschrift im Tauschgeschäft zwischen Nettolohn und als zumutbar eingeschätzter Leistung. Da muss doch noch mehr sein:
- Zum einen erhöhen viele Betriebe ihre Bezahlung über den Mindest-/ Tariflohn hinaus und kommunizieren das aktiv in ihren Teams – samt Zusatzleistungen, die sonst leicht als selbstverständlich empfunden und vergessen werden.
- Zum anderen „füttern“ sie das Mitarbeitermotiv „Zugehörigkeit/ Beziehung“ – über einen guten, humorvollen Ton, über respektvolle Sprache, über gemeinsames Erleben in Pausen, Trainings (siehe unten), Freizeit...
- Sie machen den Sinn der vielen Standards verständlich: als Hilfe für Routinen, die dann automatisch klappen (wie das Überholen beim Autofahren nach einjähriger Fahrpraxis). Denn: Präzision gibt Halt.
- Die so frei werdende Energie konzentrieren sie auf die besondere Kundenansprache und kleine Überraschungen – immer aufs Neue herausgearbeitet: Was stellt meinen Kunden zufrieden, was begeistert ihn, was würde mir denn hier gefallen? - Das biete ich ihm, und das macht Spaß!
- Sie geben Kunden-Feedback an diejenigen weiter, die sich für die Leistung angestrengt haben – sowohl als Erfolgsnachrichten wie als Anregungen für weitere Verbesserungen!
Damit erleben Mitarbeiter Bestätigung im Kontakt mit Kunden, Chefs und Kollegen. Das macht Sinn!
3. Mehr Beteiligung in Zusammen-Arbeit
Ein Kernelement neuer Arbeit ist die Kollaboration, die Mit-Arbeiter (nicht lediglich „Beschäftigte“) an Leistungsgestaltung und –erfolg beteiligt, wieder auf Augenhöhe.
Wer den Job tagtäglich macht, der will Einfluss nehmen! Das macht Arbeit interessant und vielfältig, fördert Initiative und klappt auch rund um stark standardisierte Prozesse! – Ja, wenn die Informationen stimmen (-> 3x I):
- Wie sind wir hier in Teams organisiert? Wer hat welche Verantwortungen?
- Wen kann ich fragen, wenn ich etwas wissen will? Wie hört der mir zu und antwortet angemessen?
- Wie tauschen wir uns aus – mit wem, in echtem Dialog und das regelmäßig in kurzen Abständen?
- Wie gewinne ich Einblick – in Planungen, neu Entstehendes, Ergebnisse, Erfolge, kritische Entwicklungen – unternehmensweit und im eigenen Bereich, möglichst anschaulich und einfach?
- Wie kann ich die Dienst- und Urlaubsplanung für mich und das Team beeinflussen?
- In welchem Rahmen kann ich auf mich direkt Betreffendes einwirken, z.B. Arbeitskleidung/ Arbeitsplatz/ Mitarbeiterverpflegung/ Pausenraum und Pausengestaltung?
- Wie kann ich Einfluss nehmen auf meine Arbeitswelt: auf Standards, Abläufe und Qualität?
- Wie ändern wir, was nicht passt?...
Agil: Schritt für Schritt - ausprobieren, auswerten, anpassen? – Oder noch eher...
klassisch: Antrag stellen, Projekt planen, Entscheidungen abwarten, erste Schritte prüfen...
Wer so „mitspielen“ kann,
fühlt sich zugehörig und erfährt mit dem Grad der Mitwirkung persönliche Autonomie.
Das motiviert von innen und wirkt leistungsfördernd.
4. Lebenslang lernen – interaktiv statt frontal
Training on the Job ist eine unserer Kernkompetenzen – und das seit zig Jahren, als es schon beim frühen Kunden hieß: Lernen, ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
- Geändert haben sich die Lernformate, sie sind kleiner, kürzer, lebendiger, noch interaktiver und strukturiert-„gesprächiger“ geworden – mit Titeln wie Turbo-Training oder Schwung-Geber.
- Geblieben ist die operative Verankerung bei der direkten Führungskraft als Vermittler – und inzwischen auch durchaus bei erfahrenen Fachkollegen.
- Verstärkt ist die situativ thematische Konzentration auf „kleine Standards“ und Tages-Beobachtungen in der Arbeit, die direkt behandelt werden, wie auch die lebendig getaktete Frage-Antwort-Methodik, in unterschiedlichen Gruppengrößen und sogar in Einzel-Gesprächen.
- Hinzugekommen ist eine verbindliche coachende Flankierung in der Praxisbegleitung, die für nachhaltigen Schwung und Unterstützung in Organisation, Kommunikation und Motivation sorgt.
- Konsequent angewendet, transportiert das immer mehr Kompetenz in die vordere Linie – dorthin, wo sie sich im Service am Gast niederschlägt! Mitarbeiter werden selbstständiger und selbstbewusster, was im gleichen Maße ihre Führung entlastet, weil diese nicht mehr jedes Detail selbst lenken muss.
Die sich ständig entwickelnde persönliche Kompetenz bringt
Wachstums- und Erfolgserlebnisse im Team und am Kunden.
5. Kommunikation - bitte produktiv!
Wer stöhnt nicht über langwierige und langweilige Besprechungen, empfunden als „reine Zeitverschwendung“? Und schimpft gleichzeitig: „Uns informiert ja niemand!“ – Informationsaustausch soll also sein, aber bitte produktiv und auf den eigenen Informationsbedarf ausgerichtet (siehe oben). Das braucht Struktur und funktioniert, wenn folgendes passt (siehe auch Agile Methoden und Instrumente, aktualisiert im Anhang):
- Operative Meetings sind kurz und finden möglichst am Stehtisch statt (Stand-ups).
- Das geschieht je nach Thema kurz getaktet, also täglich (Dailies), wöchentlich bzw. 14tägig (Retros).
- Teilnehmerkreise sind klein und begrenzt auf Verantwortungen für die vorbereiteten Inhalte, die vorher bekannt sind.
- Es gilt das Koordinationsprinzip: Mitarbeiter, die Aufgaben lösen wollen, können sich nach eigenem Ermessen (intern und extern) spontan mit anderen Personen und Organen vernetzen, von denen sie sich Unterstützung erhoffen. Das ist erwünscht und wird aktiv gefördert.
- Operative Inhalte (Was machen wir wie?) und organisatorische Themen (Wie strukturieren wir uns?) sind grundsätzlich getrennt und in unterschiedlichen Treffen behandelt, denn vermischte Diskussionen verhaken sich gerne konfliktträchtig.
- In Meetings übernimmt ein Teilnehmer die Gesprächsleitung, möglichst wechselnd und unabhängig von seiner hierarchischen Rolle. Er sorgt für eingehaltene Regeln (siehe Anlage Meeting-Regeln).
- Wer inhaltliche Fragen/ Probleme einbringen will, soll das vorher ankündigen und einen Lösungsvorschlag mitbringen (z.B. Flipchart, eine Seite Ausdruck...).
- Entscheidungen fallen schnell und einhellig: im „Konsens“ bzw. in der „Entscheidungsverantwortung nach Beratung“ (siehe Anlage Agile Methoden und Instrumente).
- Ergebnisse/ Lösungen werden simultan gut lesbar auf Haftnotizen visualisiert, an der Wand/ am Fenster... Sie bleiben dort während der Umsetzung strukturiert sichtbar (Kanbas) und werden in einem Folge-Meeting aufgearbeitet.
Produkive, akzeptierte Kommunikation braucht also
anforderungsgerechte Strukturen und in diesem Rahmen
handwerkliches Können und Freiräume!
6. Digitalisierung – als Hilfe!
Es sind die Menschen, also die Mit-Arbeiter und ihre Supervisors, Teamleitungen und Betriebsleitungen, die Services letztlich bereitstellen. Schauen wir auf die Gastro-Branche – auch sie nutzt zunehmend technische Möglichkeiten zur Automatisierung und Digitalisierung, um Prozesse zu vereinfachen, produktiver und eher als unangenehm empfundenen Arbeiten überflüssig machen. Das schafft Freiräume für die, immer wichtigere – die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation.Hier einige Beispiele:
- Immer mächtigere Kassen- und Warenwirtschaftsprogramme, die Verbräuche leichter erfassen lassen, Abrechnungen vereinfachen und eine ausgeklügelte Disposition liefern.
- Immer bessere Schnittstellen, z.B. zu Auslobungssystemen (Druckvorlagen, Monitoren) – für eine automatisch korrekte Auszeichnung der Tages- und Angebote.
- Geldzähl- und Abrechnungsautomaten, die unproduktive Abrechnungs-Personaleinsätze verkürzen.
- Bargeldlose Payment-Systeme, die Abrechnungen erleichtern.
- Garsysteme, die Zubereitungen – unabhängig von Arbeitszeiten – automatisieren und damit Nachtarbeit abbauen helfen.
- Selbstreinigende Heiß- und Kühlgeräte mit automatischer Temperaturkontrolle, die unangenehmes Putzen und langweiliges Ablesen und Abschreiben von Celsius-Graden abschaffen.
- Automatisierte Personalsysteme (Planung, Einsatz, Abrechnung), die eine händische Übertragung von einem System ins andere überflüssig machen.
- Digitale Fotografie, die Dokumentationen immens erleichtern und Vorgaben einsichtiger machen.
- Digitale Bereitstellung von notwendig-sinnvollen Vorgaben, Standards und Arbeitsanweisungen in Internet-Manuals, so dass sie am Arbeitsplatz über die Kasse oder per Tablet aufrufbar sind. Das macht Lernen nach Bedarf (Learning on Demand) möglich und Schwung-Geber-Trainings leichter (siehe oben)!
- Verkaufsförderung und Werbung über Homepage, Social Media, Bewertungs-Portale und Messenger-Dienste – inkl. Bestellsysteme bzw. Bestellterminals vor Ort, die den Einsatz von knappen Mitarbeitern in Verkaufsprozessen wie auch Wartezeiten von Gästen einsparen.
Natürlich kann jedes System nur die Daten verarbeiten,
welche die Verantwortlichen vorher korrekt eingegeben haben. Hier steigen die Anforderungen –
auch in der Überwindung von Ängsten vor Datenerhebung überall!
Fazit:
Also: Auch kundenpräsenter Service kann New-Work-Elemente integrieren und sich damit attraktiv für Mitarbeiter gestalten. Das stärkt ihre wesentlichen Motive:
- Sinngebung: Ich weiß, wofür ich das tue, das beherrsche ich und das passt zu mir.
- Zugehörigkeit: Wir tauschen uns aus, arbeiten zusammen. Das stärkt mich, bereitet Spaß und macht mich stolz!
- Autonomie: Ich habe eigenständigen Wert und bin wertvoll-beteiligt statt betroffen und herumgeschubst!
Im Rahmen der Standards bestimme ich mit und erkenne mein Stück Leistung am Ende des Tages.
Ein solcher Wandel hört nie auf.
In immer neu aufgesetzten Change-Projekten kommt er nicht vorwärts, sondern ist beständige Führungsarbeit –
schrittweise in MUTig-kritischer Selbstentwicklung,
am besten und leichtesten abgestimmt im Führungsteam!