Von Christine Possler am 13. Dezember 2018 in Handlung , Handwerk , Haltung

Das Thema begleitet MUT seit Jahrzehnten – immer wieder mit gutem Willen und kompetenten Konzepten vereinbart, um dann von der real existierenden Praxis überrollt zu werden.

Verzögerte Bauten, verspätete Übergaben, nicht belastbare Technik, Elektro- und Internetleitungen, ungespültes Geschirr, zu wenig gewonnene Mitarbeiter in Qualität und Menge ... und damit letztlich: Weder rechtzeitige Tests, noch Trainings!

Denn Gäste und Presse sind zum Opening eingeladen, das wird nicht mehr verschoben! Also Start ohne Netz und doppelten Boden, kaputte Nerven in der Führung, gestresste Mitarbeiter mit Angst vor Blamage, von denen dann mehr als erträglich wieder das Weite suchen, weil sich die Einstellungsversprechen und das Erlebte diametral widersprechen.

Doch es geht auch anders - mit klarer Orientierung, da knüpfen wir an unser Blog Mitarbeiterknappheit an und vertiefen die beiden dort angesprochenen Erfahrungen und weitere, die wir als Stern-Erfolge hin und wieder mitgestalten durften.

Wir sehen 4 kritische Meilensteinen für eine erfolgreiche Eröffnung:

Kritischer Meilenstein #1: Souveräne Servicekultur für die Gäste!

Erst wenn dieser Anspruch gleichberechtigt neben Sortiments- und innenarchitektonische Planungen tritt, fällt die Führung andere Entscheidungen. Eine „fertige“ Basis- und Profikompetenz der neu Angeworbenen steht dann in den kritischen Prioritäten ausbalanciert neben fertiger Hardware.

Eine Frage der Haltung in den Führungsetagen. Dann korrigieren Geschäftsführung und Betriebsleitungen Pläne anders und opfern im Pre-Opening keine Lernzeiten mehr als Puffer für technische Arbeiten und Nachbesserungen.

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Sie handeln nach dem Motto:

„Wir lassen erst fitte Mitarbeiter auf die Gäste los!
Denn wer in den ersten Tagen schon vor die Wand fährt,
der kann keinen souveränen Service leisten und geht verloren.
Reine Verschwendung!!“

Und doch hält sich hartnäckig die oft widerlegte Mär: „Das ist bei Openings immer so. Wir erklären denen das kurz, dann können die Neuen mit Verkäufer-, Gastro- oder Hausfrauen-Erfahrung das schon. So haben wir sie ja eingestellt!“ – Das klappt nicht! Verschärfend fehlen noch mindestens 25 Prozent der gesuchten Mit-Macher, die noch gar nicht gewonnen sind!

Es gibt nur eine vernünftige Lösung: Eröffnung verschieben, bis die an Bord genommenen Mitarbeiter nach einem leisen Start auch praktisch fit sind. So hässlich wir das Wort „Humankapital“ finden, hier liegt „wert“-volles Kapital, das Wertschätzung braucht, um Wert zu schöpfen. Es ist inzwischen nun mal DIE knappe Ressource, nach der sich Planung auch in ihrem Aufwand richten muss.

Übrigens: Wenn die Behörde „Nein!“ zur Öffnung sagt, wird die ja auch verschoben. Deshalb unser Appell für ein gleichberechtigtes „Das muss sein!“ in Richtung Mitarbeiter. Wir kennen Konzepte, die sich daran halten und die zu den auch wirtschaftlich erfolgreichsten gehören!

Kritischer Meilenstein #2: Das Handwerk passt!

In Gemeinschaftsgastronomie, Fast-Food, Kaufhaus- und Freizeit-Welten liegen unsere handwerklichen Erfahrungswurzeln: Erst Standards sammeln, sie dann verständlich und anschaulich dokumentieren, damit sie an allen Arbeitsplätzen eindeutig und nachvollziehbar sind und sie dann am Arbeitsplatz – oder wenn der noch nicht begehbar ist, auch arbeitsplatznah – verständlich zu vermitteln.

Was sich im Laufe der Jahre verändert hat: Die Dokumente sind kürzer und bunter, prägnanter und präzise für einzelne Rollen zugeschnitten, konzentrierter und veränderbarer geworden, und häufig digital. Tablet und Smartphone kommen auch hier.

Doch wir erleben immer wieder fünf Hürden. Betriebs- und Teamleitung meinen häufig:

Hürde 1:
„Ich sage es denen (oder lege die Anweisung im Pausenraum aus, dann können sie es lesen! - Erst gerade wieder erlebt.) Das kann ich von „denen“ erwarten, das muss reichen.“ - Tut es aber nicht. Menschen lernen erst, wenn sie sich aktiv gedanklich damit beschäftigen, also darüber sprechen, Fragen beantworten, Widersprüche bewältigen, Argumente verstehen, eine Stimmung damit verbinden etc.
Qualifizierung braucht also Hirnanreize mit Zuwendung, Zeit und vielen Fragen und Antworten, bis Gelerntes sitzt.

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Hürde 2:
„Deutlich erklärt und dann einmal praktisch gezeigt reicht ja erst mal, wenn wir vorher nicht in der Station arbeiten können.“ - Tut es aber nicht. Gerade Mitarbeiter im kundenpräsentenHandwerk brauchen die mitmachende Erfahrung ihrer Hände. Sie müssen üben! Wir haben kürzlich erlebt, wie Trainer Neuen beigebracht haben, Backwaren schnell in richtig geöffnete Tüten gleiten zu lassen. Übungszeit: Zehn Minuten. Am nächsten Tag vor Gästen machten sie es anders: umständlich, langsam – und Brezeln fielen hinunter.
Qualifizierung braucht also anfassendes Ausprobieren und Üben, anfangs mit coachender Begleitung, dann immer selbständiger, immer mit Feedback, bis es eigenständig klappt.

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Hürde 3:
„Ich kann erwarten, dass Mitarbeiter die einfachen Arbeiten nach einer schnellen Trainings-Einheit können und tun.“ - Tun sie aber nicht. Angestrebte Verhaltensweisen in Basis- und Profiqualität sind heute komplex, das sind keine Peanuts. Wenn dann noch Gäste/ Kunden vor die Nase treten, ist die Sicherheit dahin und Neue fallen in alte, lieb gewonnene Gewohnheiten zurück. So funktioniert unser Hirn: Misserfolg bedroht persönlich und kann sich in Panik steigern – bis zum Tunnelblick, dann geht gar nichts mehr, auch kein guter Rat. Da hilft nur noch Pause und Verständnis! – Oder nach Hause fliehen, um dieser Ernüchterung zu entgehen.
Qualifizierung braucht also wiederholende Übung mit wachsendem Schwierigkeitsgrad, auch in Rollenübungen, damit die Neuen in ihrem Ernstfall darauf zurückgreifen können. Jeder Feuerwehrmann und Unfallhelfer weiß das!

Soweit die ersten 3 Hürden und ihre Überwindung: Souveräne Servicekompetenz braucht also eine solide handwerkliche Grundlage. Das ist Arbeit, Führungsarbeit. Sie braucht Zeit und Budget, als ein MUST HAVE von mindestens 14 Trainingstagen vor der Eröffnung.

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Hier die beiden weiteren Hürden:

Hürde 4:
„Wenn wir das Outlet offen haben, reicht die tägliche Arbeit, um top zu werden!“ - Tut sie nicht. Denn das kennen wir doch: Haben wir uns nicht selbst manches Mal im Job so eingerichtet, dass wir gerade zurecht kamen und nicht unangenehm auffielen? Wenn unsere Führung nicht Zusätzliches einforderte, fand das auch nicht statt! Kunden und Gäste mussten ohne auskommen. Es braucht also das ständige „Augen drauf!“ durch Team- und Schichtleitungen – mit laufenden Interventionen bei erkannten Abweichungen.
Qualifizierung braucht also Praxisbegleitung für eine nachhaltige Umsetzung erlernter Standards.
Hürde 5:
„Das reicht dann auch erst mal, wir müssen ja noch unsere ‚eigentliche’ Arbeit tun!“ - Tut es nicht, denn Stillstand ist bekanntlich Rückschritt. Erfolgreich sind nur Systeme, die ihren Mitarbeitern „in der eigentlichen Arbeit“ permanent auch Neues vermitteln, da sich auch Servicehandwerk agil entwickelt (da ist es wieder, das Buzzword!).
Qualifizierung braucht also Schwung gebende Trainings am Arbeitsplatz, egal ob sie „Wir sind Gastgeber“, „Fit für den Gast“, „Turbo-Training“, „Wir begeistern!“ oder einfach „Schwung-Geber“ heißen.

Erst der Sprung auch über diese beiden Hürden führt ins Ziel: Vertrauen, nachhaltige Sicherheit sowie Entwicklung für MorgenMitarbeiter machen dann, sie verhalten sich und verankern so eine lebendige Servicekultur, in der sie gut und gerne zusammenarbeiten. Das merken Kunden und Gäste und das ist mehr als NICE TO HAVE.

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Kritischer Meilenstein #3: Das Einarbeitungssystem passt

Ja, das braucht System. MUTmanagement erarbeitet Onboarding-Programme immer gemeinsam mit den Verantwortlichen, vereinbart sie mit ihnen und legt sie dann transparent schriftlich nieder. Das mag Old School sein, die Programme nutzen jedoch die neuen Methoden, sind dadurch flexibel, mitwirkungsstark, kommunikativ, einleuchtend und überzeugend. Die Anwendungsverantwortung haben die „Azubis“ selbst (denn man kann nur selbst lernen!), unterstützt durch ihre Leitung. Sie starten gemeinsam mit Kick-off-Veranstaltungen, die

  • an Einstellungen der Mitarbeiter zur Arbeit mit Kollegen sowie Kunden/ Gästen anknüpfen,
  • Bedürfnisse und Sorgen/ Ängstlichkeiten aufnehmen,
  • diese empathisch beantworten und entschärfen,
  • beweisen: „Hier findet Ihr Gehör!“,
  • Marke, Ausstrahlungswünsche und anzusprechende Gäste-/ Kundengruppen erläutern,
  • die Struktur des neuen Arbeitsgebers mit den handelnden Personen/ direkten Ansprechpartnern vorstellen,
  • wichtige Spielregeln erklären (Dienstplan, Abrechnung, Kleidung, kulturelle Go’s und No Go’s für Mitarbeiter, auch aus anderen Kulturen...),
  • erste übergreifende Standards vermitteln (z.B. Miteinander, Sicherheit, Hygiene),
  • im Gespräch das weitere Vorgehen entwickelt und transparent machen,
  • spielerische Elemente haben und Spaß machen.

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Auf diese Plattform baut Handwerkliches schrittweise auf, das inhaltlich zur vereinbarten Basis- und Profiqualität führen, methodisch mit vielen Selbstlernbausteinen, anschaulich und begründend fürs Verständnis, vertrauens- und verantwortungssteigernd für die Bindung. Das befähigt Mitarbeiter, egal woher sie kommen. Mit den nötigen Kompetenzen: fachlich, sprachlich, interkulturell, ausgerichtet aus Zusammenarbeit, führungsorientiert.

Kritischer Meilenstein #4: Führung führt!

Oder managt und verwaltet sie nur? Wie hoch ist der Zeitanteil, den sie bei Ihnen täglich auf der Fläche und mit Menschen verbringt, wie hoch die Stundenzahl im Büro und vor dem PC? Was ist denn ihre „eigentliche Arbeit“? ->

Die vorhandenen Mitarbeiter zum Erfolg führen und
die Ressourcen so gestalten,
dass das auch in Zukunft gelingt!

Das braucht Unterstützendes Führen - das gehört:

  • Führungskompetenz, die verschiedene Generationen anspricht,
  • zugkräftige Ziele, die Teamleitungen für sich akzeptieren,
  • Fachkompetenz und Konsequenz, und das empathisch,
  • Aufmerksamkeit für das, was sich unter der Oberfläche versteckt,
  • gekonnter Umgang mit unterschiedlichen Kulturen,
  • eine Prozesssteuerung auf Augenhöhe, die eine nachhaltige Produktivität im Blick hält – bezogen auf alle Einsatzfaktoren,
  • Vertrautheit und Vertrauen.

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Wie sind diese kommunikativen Führungskompetenzen abzudecken? Wir sehen 4 Lösungsangebote:

Lösung 1 - Tandem:
Ein Store-Manager oder Betriebsleiter übernimmt das operative Management – hin zu den gewünschten Zahlen. Ein zweiter wirkt gleichberechtigt als qualitativer Trainingsmanager (er betreut auch das Qualitätsmanagement). Beide müssen sich intensiv abstimmen, und ihre Führungskraft muss sich beiden ausgeglichen zuwenden (also nicht nur bei einem die Zahlen abfordern).
Die Lösung erleben wir derzeit überzeugend in einem Store, in dem die Mitarbeiterqualifikation eine „kritische“ Öffnungsvoraussetzung ist.
Lösung 2 - Kombi:
Ein Store-Manager oder Betriebsleiter übernimmt Beides, wenn er Eignung und Neigung dazu mitbringt. Die Erfahrung haben wir positiv in einem Fast-Food-Konzept machen können, wobei sich diese Führungskraft vorher als Stellvertreter in der Trainingsmanager-Aufgabe bewiesen hatte, also schon nachweislich über die nötige kommunikative Kompetenz verfügte.

Trend

Lösung 3 - Erfahrungslernen:
Hier konnten Teamleitungen diese kommunikativen Fähigkeiten in Trainee-Programmen für sich entwickeln, in die sie verbindlich eingebunden waren und dabei gekonnt begleitet wurden. Aktuell schauen wir dabei auf zwei Programme.
Lösung 4 - Coaching:
Das sind in diesem Kontext Praxisbegleitungen, die externe Coaches wie auch interne Praxisbegleiter leisten können. Zumindest langfristig macht es Sinn, dafür intern eine übergreifende regionale oder nationale Verantwortung aufzubauen, die operativ gelenkt wird. Sie soll auch einen Blick auf Servicehaltung, interkulturelle Praxis sowie qualitative Aspekte übernehmen, in Verbindung mit zielführenden Trainings durch die lokale Führung. Auch das klappt prima in der Praxis.

Lösungen gibt es also. Was es braucht, sind die neuen Denkspuren und die Bereitschaft, zu investieren!

Wir haben eine Checkliste Onboarding, die wir in jedem Projekt anpassen und die wir gerne zur Verfügung stellen.
Interessiert? - Dann fordern Sie sie an!

Fotos: Markus Spiske, Pablo Merchan-Montes, Interactive Sports, Rawpxel (3x), Javier Molina - alle unsplash.com, MUTmananagement

Icon Checkliste - Muster Onboarding (53,8 KB)

Über die Autorin

Christine Possler
Geschäftsführende Gesellschafterin

Christine Possler ist Diplom-Oecotrophologin, Solution Focused Coach, zertifizierter reteaming®-Coach und als
Beraterin, Trainerin & Coach mit diesen Schwerpunkten aktiv:
* Führungskräfteentwicklung
* Teamwirksamkeit
* Kundenorientierung und Kundenkommunikation…
und damit Kulturentwicklung im Unternehmen

Sie sagt über sich selbst:

Motiviert bin ich, wenn...
ich entdecke, wie Menschen zunehmend an sich glauben und mit Freude zu ihrer persönlichen Bestform gelangen!

cp@MUTmanagement.de