Wie schon auf der Reise in 2017 waren die Erlebnisse vielfältig und überwältigend – hier einige Eindrücke.
Land & Leute
Knapp drei Millionen Tibeter leben auf einer Fläche, die mehr als dreimal so groß ist wie Deutschland. In den Städten stellen sie etwa die Hälfte der Bevölkerung, auf dem Land ca. 70 Prozent. Sie haben eine eigene Schrift und Sprache, auch wenn Amts- und Schulsprache chinesisch ist - letzteres zumindest in den weiterführenden Klassen und damit die Integration der Tibeter in Chinas Kultur vorantreibend.
90 Prozent sind praktizierende Buddhisten, was deutlich identitätsstiftend wirkt. Solange Kirche und Bevölkerung das politische Gestaltungsmonopol des chinesischen Staates und der Kommunistischen Partei akzeptieren, gilt Religionsfreiheit, augenscheinlich freier als bei den Moslems im zuletzt besuchten Uigurischen Autonomen Gebiet, wobei der Buddhismus von Hause aus friedlicher ist als dortige Teile des Islam. Allerdings durften wir als Ausländer erst im April einreisen, da sich im März das Ende des politischen Tibets (1951 - 1959) zum 60. Mal jährte und die Politik Unruhen befürchtete. Die urspünglich geplante Reiseroute durch die Berge wurde nicht frei gegeben.
Politisch steht Tibet seit dem 13. Jahrhundert (Mandschu-Kaiser) im Einfluss des chinesischen Vielvölkerstaates, seit 1959 agiert eine tibetische Exilregierung in Indien (siehe auch https://www.tibet-initiative.de/informieren/themen/tibet-im-exil/tibetische-exilregierung/).
Militär und Polizei
Militär und Polizei (zu 90 bzw. 50 Prozent chinesisch) sind allgegenwärtig mit Kameraüberwachung alle paar Meter und mobilen Stationen an fast jeder Kreuzung sowie engmaschigen Visa-, Pass- und Sprengstoffe-/ Waffenkontrollen unterwegs. Bei aller beobachteten freien Kommuniktion: Sie spielt sich im Rahmen des parteipolitisch geprägten Polizeistaates ab, dicht digital und analog überwacht. Regelübertretungen, z.B. im Straßenverkehr, werden konsequent geahndet. Demonstrationen, Nervosität oder abweichende Einstellungen, wie in unseren Medien berichtet, haben wir nicht bemerkt.
Aber es gibt Zeichen: Karten für Mobiltelefone gibt es nur noch für Inhaber einer chinesischen ID, also nicht für uns. Handy-Verbindungen sind überall - auch in den entlegensten Punkten - möglich, W-Lan ist in allen Hotels und vielen öffentlichen Plätzen verfügbar - allerdings ohne Google, Facebook & Co.
Über Land
Landschaftlich haben wir die "Gerstekultur" in Zentral-Tibet erlebt: In den reichen Tälern von Lhasa, den Bramaputra und Yangtse entlang wird jeder Quadratzentimeter kultiviert, viel per Hand und Hacke, einiges mit Yaks, Ochsen oder Zhos, der Kreuzung aus Yak und Kuh, wenige Flächen mit kleinen oder gar großen Traktoren. Zum Süden bildet die "Bergkultur" mit dem Himalaya die Grenze nach Nepal, Indien, Bhutan und Myanmar, was wir am Rande berührt haben. Teile der "Wüstenkultur", die sich im Westen auf 4.500 Meter Höhe erstreckt, haben wir durchfahren. Hier wird massiv aufgeforstet. Die Naturschutzgebiete im Norden und der Urwald im Osten gehörten nicht zur Tour. Die Baumgrenze reicht bis 4.300 Meter hoch. Es gibt wohl nur wenig wilde Tiere, auch Vögel haben wir kaum gesehen.
China investiert ausgeprägt in touristische Destinationen, so zum Beispiel in Rundwege durch die Steinwälder "Shilin" bei Kunming (Welterbe der Unesco), in die Tempelanlage bei Dali mit den drei Pagoden, in den Wiederaufbau von Altstädten wie in Dali und Lijang sowie in die Restaurierung von Klöstern und Tempeln, die in der Kulturrevolution zerstört wurden.
Die eigene Historie ist inzwischen wichtig und für den Inlandstourismus attraktiv.
Klöster & Tempel
Davon haben wir reichlich viele besucht: Das Kloster Gamden Sumtseling, das wir in einem langen Spaziergang erkundet haben und in dem noch 600 Mönche leben und arbeiten (für viele Junge ist es die weiterführende Schule, sie hängen im Übrigen genauso fix an ihren Handies wie ihre weltlichen Mitmenschen).
In Shangri-La haben wir gemeinsam die weltweit größte Gebetsmühle gedreht.
Bis Lhasa hatten wir uns schrittweise an die Höhe gewöhnt (hier 3.600 Meter). Die Hauptstadt der Autonomen Republik Tibet, einer Verwaltungseinheit Chinas, ist eine schöne Stadt mit Verwaltungs- und religiösen Zentren. Jeder Buddhist will einmal im Leben hierhin! Die Pilger prägen das Stadtbild.
Wir sehen das Drepung-Kloster, den Potala-Palast, den Jokhang-Tempel in der Altstadt, das Samye-Kloster, den Thandruk-Tempel sowie die Klöster Pekor Chose und Shalu und nicht zuletzt das Kloster Tashi Lhunpo in Shigatse.
Skulpturen aus Yak-Butter und Mandalas aus feinem Sand fertigen Mönche kunstvoll für eine festgelegte Zeit zu Ehren Buddhas: Dann wird es wieder zerstört, denn alles ist vergänglich!
Wir beobachten gläubige Pilger auf ihrer "Cora", dem Rundgang um die heiligen Stätten und Berge, bei dem sie ununterbrochen Gebete murmeln - mit Gebetsmühle und tw. wiederholtem Ausstrecken auf dem Boden. Auch die Gläubigen werden heftig fotografiert und gefilmt wie überall - außer in den meisten Tempeln.
Märkte & Konsum
Wir gewinnen den Eindruck, dass Chinesen immer und überall essen (es gibt inzwischen auch mehr Übergewichtige). Entsprechend gut sind die Märkte und Supermärkte ausgestattet - sie werden von allen Bevölkerungsgruppen genutzt, und es gibt einfach alles.
Fast Food ist modern und in allen Qualitätsstufen präsent.
Textile Angebote gibt es tibetisch und westlich in breiter Auswahl, markenbewusst angeboten in Top-Konsum-Tempeln, aber auch in schlichteren Kaufhäusern. Kommentar im Vergleich zu Erfahrungen von vor zwei Jahren: "Das hat sich unheimlich verändert - viel modischer und westlicher", auch wenn Medien von weniger Kaufkraft der Mittelschicht und rückgängigen Konsumumsätzen sprechen.
Verkehr & Unterkünfte
China hat in 30 Jahren rund 120.000 Autobahnkilometer gebaut, analog Schnellbahnstrecken mit Verbindungen in Randgebiete/ Nachbarländer, die weiter ausgebaut werden, oft zunächst einspurig - Gegenverkehr kreuzt in Bahnhöfen.
Der Verkehr auf Autobahnen ist entspannt, auf Landstraßen eher hektisch oder schleichend, wenn sich LKWs durch Kurvenstrecken arbeiten. Die Fahrer überholen furchterregend, Überlandbusse und LKWs fahren halsbrecherisch. Unsere Chauffeure kutschierten zum Glück einwandfrei.
E-Autos nehmen zu, insgesamt auch der Anteil an Mittelklassewagen und vor allem an Zweirädern, die in Massen voll beladen und lautlos heranpreschen. Hier sind Regulierungen geplant (Kennzeichen, Geschwindigkeitsbegrenzungen).
Die Hotels waren ok bis gut, allerdings durchgängig kalt, Steppjacken, Schals und Mützen obligatorisch auch bei den Mahlzeiten.
Unser Essen? - Meist der übliche runde Tisch mit Drehplatte und zehn Speisen, von denen wir uns alle bedient haben. Der Serviceton ist eher rau und tüchtig, die Hygiene nicht immer überzeugend. Das gilt vor allem für die Toiletten, die - um es vorsichtig auszudrücken - nicht durchgängig mit europäischem Standard mithalten können.
Und immens laut ist es überall: im Restaurant, auf den Straßen, im Supermarkt.
Was bleibt...
Tibet beeindruckt durch seine tiefgläubige buddhistische Kultur, die vielfältigen und weitläufigen Landschaften und unsere gelungenen Anstrengungen, auch in den Höhenlagen die Tempelstockwerke mit bis zu 1.300 Stufen zu bewältigen. Das schafft rote Blutkörperchen, die uns auch noch zuhause sportlich leistungsfähiger machen.
Der chinesische Überwachungsstaat hat uns doch zu schaffen gemacht, für manche war das sehr präsent und bedrohlich, und manche konnte es eher ausblenden. Bleibt abzuwarten, wie sich dieses riesige Land und seine Gesellschaft weiterentwickeln.