Von Christine Possler am 18. Oktober 2019 in Handlung

Situation.

Erinnern Sie sich? Ende August ging es los - zunächst unterstützt durch den externen Coach. Die Abteilungsleiterin hat ihr vierköpfiges Team in der Zwischenzeit schrittweise näher hin zum Ziel eines neuen Kundenservices geführt - gemeinsam und zukunftsorientiert ohne unproduktives Analysieren von Problemen und deren Ursachen *.

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Erstauntes Feedback vor allem von den kritischeren Team-Mitgliedern:

"Das hat wirklich geklappt!
Wir kommunizieren viel stärker mit den Kunden, sind näher dran und schneller.
Das haben Ansprechpartner auch schon bemerkt."

Die Leiterin hat sich wie geplant ins Team eingegliedert, löst Aufgaben mit den anderen im Dialog und freut sich über den aktuellen Schwung und auch darüber, dass die Arbeit viel selbstbestimmter und agiler geworden ist.

"Nach dem letzten Sprint haben wir mal geschaut, wo wir jetzt stehen.
Auf der Skala von 1 bis 10 haben wir eine gute 5 erreicht.
Jetzt nehmen wir uns 5 + 1 vor."

Da wird es Zeit, sich das zweite Thema Besser im Team vorzunehmen, gemeinsam mit einer 19-jährigen Auszubildenden, die die kommenden vier Monate hier lernen wird. Wieder trifft man sich außerhalb vom Tagesgeschäft, diesmal einen Tag lang und durch die Abteilungsleiterin moderiert.

Einstieg.

Sie begrüßt ihre neue Fünferrunde und startet gleich in einen Rückblick mit der Aufgabe:

"Guten Morgen!"
"Worüber haben Sie sich in den letzten 8 Wochen am meisten gefreut?"
"Bitte sammeln Sie mindestens 6 Dinge!"

Zwei Kleingruppen tun dies und tragen es vor, die Moderatorin dokumentiert, hängt das Ergebnis an die Pinnwand und alle schauen gemeinsam auf die Ergebnisse.

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"Das kann sich doch sehen lassen!"
"Das lassen wir hier hängen!"

Nun folgt ein Blick auf die Agenda für heute (analog zur Gliederung dieses Blogs) - samt Klärung, ob das alles so passt und welche Rolle der Chefin heute zukommt: Sie will sich als Moderatorin inhaltlich zurückhalten und unterstützend coachend hin zur erwünschten Zukunft wirken, wobei auch sie im Vorfeld nicht weiß, wie diese aussehen wird *. Denn sie vertraut voll und ganz auf das Können und Wissen "ihrer Fünferbande".

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Mit ein paar erläuternden Worten wiederholt sie den lösungsorientierten Ansatz - abgrenzend zur Problemorientierung - auch um die Neue im Team abzuholen.

Unser Zukunftsbild.

Dann geht der Blick nach vorne:

"Was genau heißt für Euch unser heutiges Motto 'Besser im Team'?"
"Bitte geht einmal in Gedanken in die Zukunft und stellt Euch vor:
Eure kühnsten Hoffnungen haben sich zu diesem Thema erfüllt!

Euer Motto ist Alltagswirklichkeit, so dass Ihr mit Euch, mit dem Team und mit Eurer Arbeit rundum zufrieden seid."
(Ja, da ist sie wieder, unsere Wunderfrage!)

Antworten kommen zunächst zügig, dann stockt es, doch es folgt noch einiges nach weiteren Ankurbelungsfragen, die die Moderatorin übrigens ganz in Ruhe stellt und nicht etwa eine nach der anderen abfeuert:

"Was noch?" "Was noch?"
"Wie genau sieht diese rosige Zukunft aus?"
"Was ist daran anders als heute?"
"Wie beschreibt Ihr das Eurer Familie zuhause/ Euren Freunden: Was ist anders geworden?"
"Wenn Ihr etwas nicht mehr wollt, wie soll es statt dessen sein?"
"Wie verhaltet Ihr Euch dann selbst?"
"Wie fühlt sich das an?"

Das bringt eine recht idealtypische Vorstellung der gemeinsamen Zukunft - mit vielen Einzelfacetten! Und diesmal gibt es keinen "Rückfall" in das Bedürfnis, doch noch Probleme zu analysieren. Deren Transformation in vorwärts gerichtete Ziele ist damit als Zwischenschritt unnötig. Doch die jetzt noch recht komplexe Vision muss konkreter im Sinne von Aufgaben oder Etappen werden (wenn auch keine SMARTen Ziele gefragt sind **)! Also zum nächsten Schritt:

Unser Ziel.

"Wie formulieren wir das Ziel konkret,
um unserer Vorstellung, also dieser Vision näher zu kommen?"
"
Was wollen wir konkret?"

Die Gruppe diskutiert intensiv, schreibt Schlagworte auf und hängt sie mit der Moderatorin geordnet an die Pinnwand. Daraus verdichtet diese im Dialog die drei Zielformulierungen, mit denen die Runde weiterarbeiten will. Das sind:

  • Wir wollen mehr miteinander sprechen!
  • Wir wollen klare Spielregeln für mehr Genauigkeit!
  • Wir wollen Abstimmungen in Jours fixes alle 14 Tage!

Alles auf einmal? Geht das denn? - Wie ein ambitionierter Bergsteiger, der alle Achttausender der Welt besteigen will, wollen das auch die Team-Mitglieder hier zunächst.

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Doch auch der Alpinist fokussiert sich auf einen Berg nach dem anderen. Das leuchtet dem Team ein, und es sucht nach dem Ziel mit...

  • der stärksten Wirkung auf die Vision einerseits und
  • den stärksten Hebelwirkungen auf die verbleibenden Ziele andererseits.

Diese verbleibenden gehen übrigens nicht verloren, sondern werden später aufgegriffen - so wie das heutige Besser im Team ja auch nicht in der Versenkung verschwand. Und: Auf dem Weg zu besserem Kundenservice tat sich zudem schon einiges im Teamgeist, denn:

"Wer ein Fischernetz an einem Knoten anhebt,
bewegt die anderen Knoten mit."

Diese Fokussierung fällt der Runde nicht leicht, weil Einzelne an den ihnen wichtigen Punkten festhalten wollen, die Moderatorin jedoch auf einer einvernehmlichen Lösung beharrt. Ein Konsens klappt schließlich im Gespräch ***. Das Ergebnis:

Wir wollen mehr miteinander sprechen!

Das hört sich zunächst nicht spektakulär an und hier meldet sich der kritische Kollege noch einmal zu Wort: "Dazu hätten wir das jetzt hier aber nicht gebraucht, das hätte ich Euch auch vorher sagen können!" Und erntet sofort die Gegenfrage: "Ja, und bist Du jetzt auch davon überzeugt?" - "Hmm, stimmt, jetzt ja!", schmunzelt er vor sich hin.

Unsere Unterstützer.

Hinter diesem Ziel steht jeder im Team. Doch keiner erreicht es allein. Die Prinzipien heißen:

"Jeder im Team unterstützt, angefangen bei mir selbst!"
"Doch auch andere sind gefragt. Das gibt Kraft."
"Wenn andere unterstützen, ermutigt mich das auch mich persönlich!"
"Wer sind denn diese Helfer? Wer spricht sie an?"
"Ist für andere überhaupt verständlich, was wir hier festhalten?"
"Was soll aus der jeweiligen Unterstützung herauskommen?"

"Wer gibt wem Feedback, auf welchem Weg?"

Auf Zuruf finden ausgewählte Unterstützer aus Geschäftsleitung, anderen Abteilungen, Familie und Freunden ihren Weg auf ein Flipchart (und damit später ins Fotoprotokoll).

Unser Nutzen.

Das Kraftfutter für den Umsetzungseinsatz ist der persönliche Nutzen.

"Lohnt sich der Aufwand überhaupt für mich?
Und für die anderen im Team?
Und für die weiteren Unterstützer?"

Die Teilnehmenden schreiben jetzt auf Karten, was sie konkret davon haben, wenn das Ziel erreicht wird. Da kommen viele und sehr unterschiedliche Nutzenaspekte zusammen! Die Nennungen kommen an die Pinnwand, werden kurz vorgelesen (auch mit ggf. zusätzlichen Stakeholders, die Nutzen für sich und das Ziel einheimsen) - das Ergebnis bleibt so in seiner Vielfalt stehen, wird also nicht diskutiert oder gar gebündelt. Hier sieht das u.a. so aus:

  • Mehr Freude an der Arbeit
  • Wir schaffen mehr
  • Und das in besserer Qualität
  • Meist klappt das im ersten Anlauf
  • Wir gehen freundlicher miteinander um
  • Ich weiß besser Bescheid - und das rechtzeitig
  • Ich kann wieder besser schlafen
  • Ich gehe lieber ins Geschäft
  • Ich habe bessere Laune, auch abends zuhause
  • Unsere Kunden freuen sich über unsere Anrufe
  • John arbeitet wieder gerne bei uns
  • Wir lernen voneinander
  • ...

Dieses Kraftpaket bringt das Team der Vision näher und trägt die Veränderung in den Alltag!

Ressourcen-Check.

Das Stammteam erinnert sich: Die Frage "Wie weit sind wir bis heute auf dem Weg zu unserem Ziel gekommen?" hat es sich bisher bereits zwei Mal für das erste Thema gestellt. Hier im Workshop ist die Strecke mit den 10 Meilensteinen am Flipchart aufgemalt, und jeder punktet, wo er sich sieht ***. Das Ergebnis zeigt sich jetzt mehr auseinander gezogen. Per Nachfragen ergänzt die Moderatorin die Ressourcen, die das Team zum heutigen Stand geführt haben. Das sind schon heute nutzbare und ausbaufähige Stärken, nach dem Prinzip "Mehr davon!"

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Dream-Team.

Und weiter geht es mit Schwung durch Vorstellungskraft. Das zieht! Das Team bewegt sich in seiner Imagination in die Zukunft und schaut auf Veränderungen, die es geschafft hat:

"Stellt Euch vor, ein Jahr ist um, und Ihr habt Eurer Gesamtziel erreicht.
Und das macht Nachbarabteilungen neugierig, denn Sie sehen, dass Ihr richtig gut und leistungsfähig zusammen arbeitet.
Sie wollen von Euch wissen:
Wie seid Ihr ein solches Dream-Team geworden?
"

Unsere Gruppe löst das spielerisch und plant eine Pressekonferenz, in der er es seine Erfolge nach einem Jahr kundtun will, und "haut das in einem Sketch mit verteilten Rollen raus. Mit viel Spaß und einigen Lachsalven!"

Doch dann es wird noch mal sachlich:

Und nun?

Da ist doch noch Respekt vor den Herausforderungen erkennbar. Die werden denn auch an- und kurz besprochen - mit der erMUTigenden Erkenntnis:

"Wenn etwas schwierig wird, ist es auch möglich!"

Das kann Zuversicht schaffen, und darum geht es jetzt. So macht sich die Runde noch einmal die eigenen Ressourcen bewusst, zu zweit oder zu dritt und als Kartenfrage (die Frageformulierungen dienen als Anregungen und müssen nicht einzeln beantwortet werden):

"Was macht Euch zuversichtlich, dass Ihr Euer Ziel erreichen könnt?"
"Wie und womit habt Ihr bisher Herausforderungen bewältigt?"
"Welche Kompetenzen braucht Ihr dafür? Wie nutzt/ beschafft Ihr diese?"
"Was zeichnet Euer Team besonders aus?"
"Welche Stärken Eures Teams schätzen Außenstehende besonders?"
"Welche Ressourcen steuern diese Unterstützer bei?" Andere Kartenfarbe.

Und wieder: "Was noch?" "Was noch?" "Was noch?"

Weiter geht's - wie?

Die Moderatorin hat den Teambildungsprozess bis jetzt dramaturgisch motivierend aufgebaut, so wie sie es in ihrer Ausbildung trainiert hat *: Auf Basis eines positiven Einstiegs, von der Vision, dem Ziel, diversen Unterstützern, vielfältigem Nutzen, einem aussichtsreichen Status quo mit seinen Ressourcen über erkannte Herausforderungen bis hin zu zuversichtlichen Aussichten. Jetzt geht es um den ersten konkreten Beitrag der Beteiligten auf dem Weg dorthin.

"Was werdet Ihr persönlich in den nächsten Tagen tun,
damit sich unser Team unserem Ziel nähert?"

Praktisch reflektieren Zweiergruppen die Frage (die Moderatorin mit der Azubine), indem sie einen 20-minütigen Spaziergang durch die Anlage machen, sich dabei schon etwas vom Arbeitsraum lösen, ihre Versprechen als "Babysteps" hinein in den Alltag formulieren - mit Feedback des Mit-Spaziergängers. Sie tragen es dann kurz  vor, und die Moderatorin schreibt an der Pinwand mit.

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Das Ergebnis? - "Da steht ja ein richtiger Maßnahmenplan für uns", so das Team vor der Abschlussrunde. Es ist sich jetzt sicher:

"Im Weiteren werden wir wieder Fortschritte in Sprints erarbeiten und in Tagestreffen/ Rückblicken festhalten.
Wir werden Erfolge feiern, Gescheitertes gelassen begraben, Unterstützer aufs Neue aktivieren,
auftauchenden Hindernissen mit passenden Ressourcen begegnen und
so weiterhin lösungsfokussiert vorwärts kommen sowie mit möglichen Rückschlägen umgehen."

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Versprochen ist versprochen!

Natürlich kennen alle die Schwierigkeiten, die im Alltag auf sie zukommen können: Zu wenig Zeit, Schnellschüsse aus den Chefetagen, plötzliche Kundenanforderungen, zu wenig Budget... Deshalb lenkt die Moderatorin noch einmal den Blick auf die gesammelten Kraftspender, auf die jeder zurückgreifen kann (siehe oben), und bittet abschließend um je ein persönliches Commitment für...

Wir werden ein tolles Team - mein Beitrag:

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Nun stehen alle um das letzte Flipchart herum, klatschen sich ab und kehren erMUTigt zurück in ihren Arbeitsalltag!

Viele Erfolg!

Meine Erfahrung, so die Autorin Christine Possler:
"Diese auf Lösung ausgerichtete Haltung und das handwerklich saubere Vorgehen im reteaming
®-Prozess passt hervorragend in unsere ziel- und menschorientierte Arbeit bei MUTmanagement *. Einen solchen Workshop habe ich inzwischen mehrfach moderiert und immer wieder eine ausgesprochen positive Resonanz erzielt. Das Vorgehen funktioniert!"

* Middendorf, Jörg; Furmann, Ben: Lösungsorientiertes Team-Coaching: Eine reteaming® Workshop-Anleitung (essentials)Taschenbuch, 2019.
Die zertifizierte Autorin folgte mit der hier beschriebenen Moderatorin diesem Prozess - auch mit den empfohlenen Visualisierungen.
Zur Coaching-Ausbildung: https://www.bco-koeln.de/Reteaming

** Führungs- und Fachkräfte kennen SMARTE Ziele zur Genüge, die spezifisch, messbar, anspornend, realistisch und terminiert sein sollen.
Doch Experten und Anwender sind von ihrer Wirkung in dieser Aufgabe nicht überzeugt: Sie verengen den Blick unnötig und haben oft zu wenig Zugwirkung, insbesondere auf Teams.

*** Als Hilfestellung auf dem Weg zu Konsenslösungen (oder "Konsent"-Lösungen) siehe auch https://www.mutgestalten.de/media/filer_public/2d/d4/2dd494ba-133f-46bb-95bb-8fe99e1be5d0/agile_methoden_und_instrumente.pdf

Über die Autorin

Christine Possler
Geschäftsführende Gesellschafterin

Christine Possler ist Diplom-Oecotrophologin, Solution Focused Coach, zertifizierter reteaming®-Coach und als
Beraterin, Trainerin & Coach mit diesen Schwerpunkten aktiv:
* Führungskräfteentwicklung
* Teamwirksamkeit
* Kundenorientierung und Kundenkommunikation…
und damit Kulturentwicklung im Unternehmen

Sie sagt über sich selbst:

Motiviert bin ich, wenn...
ich entdecke, wie Menschen zunehmend an sich glauben und mit Freude zu ihrer persönlichen Bestform gelangen!

cp@MUTmanagement.de